„Markus?”
Ich glaube, sie hat mich mehrmals beim Namen genannt, bevor ich es das erste Mal bemerkte.
„Markus? Was ist mit dir? Bist du in Ordnung?”
Sie hatte ihre Schenkel geschlossen und die Decke leicht darüber gezogen.
Ich krächzte irgendetwas, vielleicht ein Ja.
Was Sandra vorgehabt hatte, weiß ich nicht. Jetzt aber machte sie sich echte Sorgen. So antwortete gewöhnlich ihr Bruder nicht, und sie hatte mich doch ganz offensichtlich im fahlen Halbdunkel erkannt.
„Komm her, setz’ dich aufs Bett”, flüsterte sie eindringlich. Ich gehorchte. Sie rückte etwas zur Seite, um mir Platz zu machen. Als sie eine Hand auf meinen Unterarm legte, merkte ich, daß ich am ganzen Körper zitterte.
„Markus, was ist denn nur mit dir?”
Ich versuchte, etwas zu sagen, doch zu mehr als einem Räuspern reichte es nicht.
„Habe ich dich so erschreckt?”
Ich nickte.
„Das… das wollte ich nicht.”
Es klang wie eine Entschuldigung. Dieser Tonfall half mir. Meine Schwester hätte jedes Recht gehabt, mich anzuklagen, und wahrscheinlich hatte sie dies auch vorgehabt. Sie hatte dieses Recht immer noch. Daß sie jetzt fast kleinlaut klang, half mir, wieder zu mir zu kommen.
„Ich… So einen Schrecken… habe ich noch nie erlebt…” Ich griff mir ans Herz, es war keine Schauspielerei, wenngleich ich dort keine Schmerzen verspürte.
Ihre Hand ruhte noch sanft auf meinem Unterarm und drückte ihn bestätigend.
„Es… es geht schon wieder”, sagte ich leise.
„Markus”, jetzt klang ein Vorwurf in ihrer Stimme. „Was hast du denn nur gemacht?” Sandra sprach leise, flüsterte fast.
„Ich glaube, das weißt du”, antwortete ich ebenso ruhig. Es hatte keinen Sinn zu lügen. Möglicherweise hätte ich mit größerer Geistesgegenwärtigkeit eine Geschichte erzählen können, von der wir beide gewußt hätten, daß sie eine Lüge war, die uns aber gewissermaßen aus der Affäre gezogen hätte. Doch dazu war ich nicht fähig.
Lange Zeit wurde kein Wort gesprochen.
Schließlich fragte Sandra: „Wie lange machst du das schon?”
Ich zuckte mit den Schultern: „Ein paar Wochen.”