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Die Venus im Pelz Kapitel 10

Venus im Pelz

Kapitel 10

Ich habe den Dom gesehen, den Palazzo vecchio, die Loggia di Lanzi und bin dann lange am Arno gestanden. Immer wieder ließ ich meinen Blick auf dem herrlichen, altertümlichen Florenz ruhen, dessen runde Kuppeln und Türme sich weich in den blauen, wolkenlosen Himmel zeichneten, auf den prächtigen Brücken, durch deren weite Bogen der schöne, gelbe Fluß seine lebhaften Wellen trieb, auf den grünen Hügeln, welche, schlanke Zypressen und weitläufige Gebäude, Paläste oder Klöster tragend, die Stadt umgeben.

Es ist eine andere Welt, in der wir uns befinden, eine heitere, sinnliche und lachende. Auch die Landschaft hat nichts von dem Ernst, der Schwermut der unseren. Da ist weithin, bis zu den letzten weißen Villen, die im hellgrünen Gebirge zerstreut sind, kein Fleckchen, das die Sonne nicht in das hellste Licht setzen würde, und die Menschen sind weniger ernst, wie wir, und mögen weniger denken, sie sehen aber alle aus, wie wenn sie glücklich wären.

Man behauptet auch, daß man im Süden leichter stirbt.

Mir ahnt jetzt, daß es eine Schönheit gibt ohne Stachel und eine Sinnlichkeit ohne Qual.

Wanda hat eine allerliebste kleine Villa auf einem der reizenden Hügel an dem linken Ufer des Arno, gegenüber der Cascine, entdeckt und für den Winter gemietet. Dieselbe liegt in einem hübschen Garten mit reizenden Laubgängen, Grasplätzen und einer herrlichen Camelienflur. Sie hat nur ein Stockwerk und ist im italienischen Stile im Viereck erbaut; die eine Front entlang läuft eine offene Galerie, eine Art Loggia mit Gipsabgüssen antiker Statuen, von der steinerne Stufen in den Garten hinabführen. Aus der Galerie gelangt man in ein Badezimmer mit einem herrlichen Marmorbassin, aus dem eine Wendeltreppe in das Schlafgemach der Herrin führt.

Wanda bewohnt das erste Stockwerk allein.

Mir wurde ein Zimmer ebener Erde angewiesen, es ist sehr hübsch und hat sogar einen Kamin.

Ich habe den Garten durchstreift und auf einem runden Hügel einen kleinen Tempel entdeckt, dessen Tor ich verschlossen fand; aber das Tor hat eine Ritze, und wie ich das Auge an dieselbe lege, sehe ich auf weißem Piedestal die Liebesgöttin stehen. Mich ergreift ein leiser Schauer. Mir ist, als lächle sie mir zu: »Bist du da? Ich habe dich erwartet.«

Es ist Abend. Eine hübsche kleine Zofe bringt mir den Befehl, vor der Herrin zu erscheinen. Ich steige die breite Marmortreppe empor, gehe durch den Vorsaal, einen großen mit verschwenderischer Pracht eingerichteten Salon und klopfe an die Türe des Schlafgemachs. Ich klopfe sehr leise, denn der Luxus, den ich überall entfaltet sehe, beängstigt mich, und so werde ich nicht gehört und stehe einige Zeit vor der Türe. Mir ist zumute, als stände ich vor dem Schlafgemach der großen Katharina und als müßte sie jeden Augenblick im grünen Schlafpelz mit dem roten Ordensbande auf der bloßen Brust und mit ihren kleinen, weißen, gepuderten Löckchen heraustreten.

Ich klopfe wieder. Wanda reißt ungeduldig den Flügel auf.

»Warum so spät?« fragt sie.

»Ich stand vor der Türe, du hast mein Klopfen nicht gehört«, entgegnete ich schüchtern. Sie schließt die Türe, hängt sich in mich ein und führt mich zu der rotdamastenen Ottomane, auf der sie geruht hat. Die ganze Einrichtung des Zimmers, Tapeten, Vorhänge, Portieren, Himmelbett, alles ist von rotem Damast, und die Decke bildet ein herrliches Gemälde, Simson und Delila.

Wanda empfängt mich in einem betörenden Deshabillee, das weiße Atlasgewand fließt leicht und malerisch an ihrem schlanken Leib herab und läßt Arme und Büste bloß, welche sich weich und nachlässig in die dunklen Felle des großen grünsamtenen Zobelpelzes schmiegen. Ihr rotes Haar fällt, halb offen, von Schnüren schwarzer Perlen gehalten, über den Rücken bis zur Hüfte herab.

»Venus im Pelz«, flüstre ich, während sie mich an ihre Brust zieht und mit ihren Küssen zu ersticken droht. Dann spreche ich kein Wort mehr und denke auch nicht mehr, alles geht unter in einem Meere niegeahnter Seligkeit.

Wanda macht sich endlich sanft los und betrachtete sich, auf den einen Arm gestützt. Ich war zu ihren Füßen herabgesunken, sie zog mich an sich und spielte mit meinem Haare.

»Liebst du mich noch?« fragte sie, ihr Auge verschwamm in süßer Leidenschaft.

»Du fragst!« rief ich.

»Erinnerst du dich noch deines Schwures«, fuhr sie mit einem reizenden Lächeln fort, »nun, da alles eingerichtet, alles bereit ist, frage ich dich noch einmal: ist es wirklich dein Ernst, mein Sklave zu werden?«

»Bin ich es denn nicht bereits?« fragte ich erstaunt.

»Du hast die Dokumente noch nicht unterschrieben.«

»Dokumente – was für Dokumente?«

»Ah! ich sehe, du denkst nicht mehr daran«, sagte sie, »also lassen wir es bleiben.«

»Aber Wanda«, sprach ich, »du weißt ja, daß ich keine größere Seligkeit kenne, als dir zu dienen, dein Sklave zu sein, und daß ich alles um das Gefühl geben würde, mich ganz in deiner Hand zu wissen, mein Leben sogar –«

»Wie du schön bist«, flüsterte sie, »wenn du so begeistert bist, wenn du so leidenschaftlich sprichst. Ach! ich bin mehr als je in dich verliebt und da soll ich herrisch sein gegen dich und strenge und grausam, ich fürchte, ich werde es nicht können.«

»Mir ist nicht bange darum«, entgegnete ich lächelnd, »wo hast du also die Dokumente?«

»Hier«, sie zog sie halb verschämt aus ihrem Busen hervor und reichte sie mir.

»Damit du das Gefühl hast, ganz in meiner Hand zu sein, habe ich noch ein zweites Dokument aufgesetzt, in welchem du erklärst, daß du entschlossen bist, dir das Leben zu nehmen. Ich kann dich dann sogar töten, wenn ich will.«

»Gib.«

Während ich die Dokumente entfaltete und zu lesen begann, holte Wanda Tinte und Feder, dann setzte sie sich zu mir, legte den Arm um meinen Nacken und blickte über meine Schultern in das Papier.

Das erste lautete:

»Vertrag zwischen Frau Wanda von Dunajew
und Herrn Severin von Kusiemski

Herr Severin von Kusiemski hört mit dem heutigen Tage auf, der Bräutigam der Frau Wanda von Dunajew zu sein und verzichtet auf alle seine Rechte als Geliebter; er verpflichtet sich dagegen mit seinem Ehrenworte als Mann und Edelmann, fortan der Sklave derselben zu sein und zwar solange sie ihm nicht selbst die Freiheit zurückgibt.

Er hat als der Sklave der Frau von Dunajew den Namen Gregor zu führen, unbedingt jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, jedem ihrer Befehle zu gehorchen, seiner Herrin mit Unterwürfigkeit zu begegnen, jedes Zeichen ihrer Gunst als eine außerordentliche Gnade anzusehen.

Frau von Dunajew darf ihren Sklaven nicht allein bei dem geringsten Versehen oder Vergehen nach Gutdünken strafen, sondern sie hat auch das Recht, ihn nach Laune oder nur zu ihrem Zeitvertreib zu mißhandeln, wie es ihr eben gefällt, ja sogar zu töten, wenn es ihr beliebt, kurz, er ist ihr unbeschränktes Eigentum.

Sollte Frau von Dunajew ihrem Sklaven je die Freiheit schenken, so hat Herr Severin von Kusiemski alles, was er als Sklave erfahren oder erduldet, zu vergessen und nie und niemals, unter keinen Umständen und in keiner Weise an Rache oder Wiedervergeltung zu denken.

Frau von Dunajew verspricht dagegen, als seine Herrin so oft als möglich im Pelz zu erscheinen, besonders wenn sie gegen ihren Sklaven grausam sein wird.«

Unter dem Vertrage stand das Datum des heutigen Tages. Das zweite Dokument enthielt nur wenige Worte.

»Seit Jahren des Daseins und seiner Täuschungen überdrüssig, habe ich meinem wertlosen Leben freiwillig ein Ende gemacht.«

Mich faßte ein tiefes Grauen, als ich zu Ende war, noch war es Zeit, noch konnte ich zurück, aber der Wahnsinn der Leidenschaft, der Anblick des schönen Weibes, das aufgelöst an meiner Schulter lehnte, rissen mich fort.

»Dieses hier mußt du zuerst abschreiben, Severin«, sprach Wanda, auf das zweite Dokument deutend, »es muß vollkommen in deinen Schriftzügen abgefaßt sein, bei dem Vertrage ist das natürlich nicht nötig.«

Ich kopierte rasch die wenigen Zeilen, in denen ich mich als Selbstmörder bezeichnete, und gab sie Wanda. Sie las und legte sie dann lächelnd auf den Tisch.

»Nun, hast du den Mut, das zu unterzeichnen?« fragte sie, den Kopf neigend, mit einem feinen Lächeln.

Ich nahm die Feder.

»Laß mich zuerst«, sprach Wanda, »dir zittert die Hand, fürchtest du dich so sehr vor deinem Glück?«

Sie nahm den Vertrag und die Feder – ich blickte im Kampfe mit mir selbst einen Augenblick empor und jetzt erst fiel mir, wie auf vielen Gemälden italienischer und holländischer Schule, der durchaus unhistorische Charakter des Deckengemäldes auf, der demselben ein seltsames, für mich geradezu unheimliches Gepräge gab. Delila, eine üppige Dame mit flammendem roten Haare, liegt halb entkleidet in einem dunklen Pelzmantel auf einer roten Ottomane und beugt sich lächelnd zu Simson herab, den die Philister niedergeworfen und gebunden haben. Ihr Lächeln ist in seiner spöttischen Koketterie von wahrhaft infernalischer Grausamkeit, ihr Auge, halb geschlossen, begegnet jenem Simsons, das noch im letzten Blicke mit wahnsinniger Liebe an dem ihren hängt, denn schon kniet einer der Feinde auf seiner Brust, bereit, ihm das glühende Eisen hineinzustoßen.

»So –« rief Wanda, »du bist ja ganz verloren, was hast du nur, es bleibt ja doch alles beim alten, auch wenn du unterschrieben hast, kennst du mich denn noch immer nicht, Herzchen?«

Ich blickte in den Vertrag. Da stand in großen kühnen Zügen ihr Name. Noch einmal schaute ich in ihr zauberkräftiges Auge, dann nahm ich die Feder und unterschrieb rasch den Vertrag.

»Du hast gezittert«, sprach Wanda ruhig, »soll ich dir die Feder führen?«

Sie faßte in demselben Augenblick sanft meine Hand, und da stand mein Name auch auf dem zweiten Papier. Wanda sah beide Dokumente noch einmal an und schloß sie dann in den Tisch, welcher zu Häupten der Ottomane stand.

»So – nun gib mir noch deinen Paß und dein Geld.«

Ich ziehe meine Brieftasche hervor und reiche sie ihr, sie blickt hinein, nickt und legt sie zu dem Übrigen, während ich vor ihr knie und mein Haupt in süßer Trunkenheit an ihrer Brust ruhen lasse.

Da stößt sie mich plötzlich mit dem Fuße von sich, springt auf und zieht die Glocke, auf deren Ton drei junge, schlanke Negerinnen, wie aus Ebenholz geschnitzt und ganz in roten Atlas gekleidet, hereintreten, jede einen Strick in der Hand.

Jetzt begreife ich auf einmal meine Lage und will mich erheben, aber Wanda, welche, hoch aufgerichtet, ihr kaltes, schönes Antlitz mit den finsteren Brauen, den höhnischen Augen mir zugewendet, als Herrin gebietend vor mir steht, winkt mit der Hand, und ehe ich noch recht weiß, was mit mir geschieht, haben mich die Negerinnen zu Boden gerissen, mir Beine und Hände fest zusammengeschnürt und die Arme wie einem, der hingerichtet werden soll, auf den Rücken gebunden, so daß ich mich kaum bewegen kann.

»Gib mir die Peitsche, Haydée«, befiehlt Wanda mit unheimlicher Ruhe.

Die Negerin reicht sie kniend der Gebieterin.

»Und nimm mir den schweren Pelz ab«, fährt diese fort, »er hindert mich.«

Die Negerin gehorchte.

»Die Jacke dort!« befahl Wanda weiter.

Haydée brachte rasch die hermelinbesetzte Kazabaika, welche auf dem Bette lag, und Wanda schlüpfte mit zwei unnachahmlich reizenden Bewegungen hinein.

»Bindet ihn an die Säule hier.«

Die Negerinnen heben mich auf, schlingen ein dickes Seil um meinen Leib und binden mich stehend an eine der massiven Säulen, welche den Himmel des breiten italienischen Bettes tragen.

Dann sind sie auf einmal verschwunden, wie wenn die Erde sie verschlungen hätte.

Wanda tritt rasch auf mich zu, das weiße Atlasgewand fließt ihr in langer Schleppe wie Silber, wie Mondlicht nach, ihre Haare lodern gleich Flammen auf dem weißen Pelz der Jacke; jetzt steht sie vor mir, die linke Hand in die Seite gestemmt, in der Rechten die Peitsche, und stößt ein kurzes Lachen aus.

»Jetzt hat das Spiel zwischen uns aufgehört«, spricht sie mit herzloser Kälte, »jetzt ist es Ernst, du Tor! den ich verlache und verachte, der sich mir, dem übermütigen, launischen Weibe, in wahnsinniger Verblendung als Spielzeug hingegeben. Du bist nicht mehr mein Geliebter, sondern mein Sklave, auf Tod und Leben meiner Willkür preisgegeben.

Du sollst mich kennen lernen!

Vor allem wirst du mir jetzt einmal im Ernste die Peitsche kosten, ohne daß du etwas verschuldet hast, damit du begreifst, was dich erwartet, wenn du dich ungeschickt, ungehorsam oder widerspenstig zeigst.«

Sie schürzte hierauf mit wilder Grazie den pelzbesetzten Ärmel auf und hieb mich über den Rücken.

Ich zuckte zusammen, die Peitsche schnitt wie ein Messer in mein Fleisch.

»Nun, wie gefällt dir das?« rief sie.

Ich schwieg.

»Wart’ nur, du sollst mir noch wie ein Hund wimmern unter der Peitsche«, drohte sie und begann mich zugleich zu peitschen.

Die Hiebe fielen rasch und dicht, mit entsetzlicher Gewalt auf meinen Rücken, meine Arme, meinen Nacken, ich biß die Zähne zusammen, um nicht aufzuschreien. Jetzt traf sie mich ins Gesicht, das warme Blut rann mir herab, sie aber lachte und peitschte fort.

»Jetzt erst verstehe ich dich«, rief sie dazwischen, »es ist wirklich ein Genuß, einen Menschen so in seiner Gewalt zu haben und noch dazu einen Mann, der mich liebt – du liebst mich doch? – Nicht – Oh! ich zerfleische dich noch, so wächst mir bei jedem Hiebe das Vergnügen; nun krümme dich doch ein wenig, schreie, wimmere! Bei mir sollst du kein Erbarmen finden.«

Endlich scheint sie müde.

Sie wirft die Peitsche weg, streckt sich auf der Ottomane aus und klingelt.

Die Negerinnen treten ein.

»Bindet ihn los.«

Wie sie mir das Seil lösen, schlage ich wie ein Stück Holz zu Boden. Die schwarzen Weiber lachen und zeigen die weißen Zähne.

»Löst ihm die Stricke an den Füßen.«

Es geschieht. Ich kann mich erheben.

»Komm zu mir, Gregor.«

Ich nähere mich dem schönen Weibe, das mir noch nie so verführerisch erschien wie heute in seiner Grausamkeit, in seinem Hohne.

»Noch einen Schritt«, gebietet Wanda, »knie nieder und küsse mir den Fuß.«

Sie streckt den Fuß unter dem weißen Atlassaum hervor und ich übersinnlicher Tor presse meine Lippen darauf.

»Du wirst mich jetzt einen ganzen Monat nicht sehen, Gregor«, spricht sie ernst, »damit ich dir fremd werde, du dich leichter in deine neue Stellung mir gegenüber findest; du wirst während dieser Zeit im Garten arbeiten und meine Befehle erwarten. Und nun marsch, Sklave!«

Ein Monat ist in monotoner Regelmäßigkeit, in schwerer Arbeit, in schwermütiger Sehnsucht vergangen, in Sehnsucht nach ihr, die mir alle diese Leiden bereitet. Ich bin dem Gärtner zugewiesen, helfe ihm die Bäume, die Hecken stutzen, die Blumen umsetzen, die Beete umgraben, die Kieswege kehren, teile seine grobe Kost und sein hartes Lager, bin mit den Hühnern auf und gehe mit den Hühnern zur Ruhe, und höre von Zeit zu Zeit, daß unsere Herrin sich amüsiert, daß sie von Anbetern umringt ist, und einmal höre ich sogar ihr mutwilliges Lachen bis in den Garten hinab.

Ich komme mir so dumm vor. Bin ich es bei diesem Leben geworden oder war ich es schon vorher? Der Monat geht zu Ende, übermorgen – was wird sie nun mit mir beginnen, oder hat sie mich vergessen, und ich kann bis zu meinem seligen Ende Hecken stutzen und Bukette binden?

Ein schriftlicher Befehl.

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Die Venus im Pelz Kapitel 13

Die Venus im Pelz

Kapitel 13

Der Maler malt langsam. Um so rascher wächst seine Leidenschaft. Ich fürchte, er nimmt sich am Ende noch das Leben. Sie spielt mit ihm und gibt ihm Rätsel auf, und er kann sie nicht lösen und fühlt sein Blut rieseln – sie aber unterhält sich dabei.

Während der Sitzung nascht sie Bonbons, dreht aus den Papierhülsen kleine Kugeln und bewirft ihn damit.

»Es freut mich, daß Sie so gut aufgelegt sind, gnädige Frau«, spricht der Maler, »aber Ihr Gesicht hat ganz jenen Ausdruck verloren, den ich zu meinem Bilde brauche.«

»Jenen Ausdruck, den Sie zu Ihrem Bilde brauchen«, erwiderte sie lächelnd, »gedulden Sie sich nur einen Augenblick.«

Sie richtet sich auf und versetzt mir einen Hieb mit der Peitsche; der Maler blickt sie starr an, in seinem Antlitz malt sich ein kindliches Staunen, mischt sich Abscheu und Bewunderung.

Während sie mich peitscht, gewinnt Wandas Antlitz immer mehr jenen grausamen, höhnischen Charakter, der mich so unheimlich entzückt.

»Ist das jetzt jener Ausdruck, den Sie zu Ihrem Bilde brauchen?« ruft sie. Der Maler senkt verwirrt den Blick vor dem kalten Strahl ihres Auges.

»Es ist der Ausdruck –« stammelt er, »aber ich kann jetzt nicht malen –«

»Wie?« spricht Wanda spöttisch, »kann ich Ihnen vielleicht helfen?«

»Ja –« schreit der Deutsche wie im Wahnsinn auf – »peitschen Sie mich auch.«

»Oh! mit Vergnügen«, erwidert sie, die Achseln zuckend, »aber wenn ich peitschen soll, so will ich im Ernste peitschen.«

»Peitschen Sie mich tot«, ruft der Maler.

»Lassen Sie sich also von mir binden?« fragt sie lächelnd.

»Ja« – stöhnt er –

Wanda verließ für einen Augenblick das Gemach und kehrte mit den Stricken zurück.

»Also – haben Sie noch den Mut, sich Venus im Pelz, der schönen Despotin, auf Gnade und Ungnade in die Hände zu geben?« begann sie jetzt spöttisch.

»Binden Sie mich«, antwortete der Maler dumpf. Wanda band ihm die Hände auf den Rücken, zog ihm einen Strick durch die Arme und einen zweiten um seinen Leib und fesselte ihn so an das Fensterkreuz, dann schlug sie den Pelz zurück, ergriff die Peitsche und trat vor ihn hin.

Für mich hatte die Szene einen schauerlichen Reiz, den ich nicht beschreiben kann, ich fühlte mein Herz schlagen, als sie lachend zum ersten Hiebe ausholte und die Peitsche durch die Luft pfiff und er unter ihr leicht zusammenzuckte, und dann, als sie mit halb geöffnetem Munde, so daß ihre Zähne zwischen den roten Lippen blitzten, auf ihn lospeitschte, und ehe er sie mit seinen rührenden, blauen Augen um Gnade zu bitten schien – es ist nicht zu beschreiben.

Sie sitzt ihm jetzt allein. Er arbeitet an ihrem Kopfe.

Mich hat sie im Nebenzimmer hinter dem schweren Türvorhang postiert, wo ich nicht gesehen werden kann und alles sehe.

Was sie nur hat.

Fürchtet sie sich vor ihm? Wahnsinnig genug hat sie ihn gemacht, oder soll es eine neue Folter für mich werden? Mir zittern die Knie.

Sie sprechen zusammen. Er dämpft seine Stimme so sehr, daß ich nichts verstehen kann, und sie antwortet ebenso. Was soll das heißen? Besteht ein Einverständnis zwischen ihnen?

Ich leide furchtbar, mir droht das Herz zu springen.

Jetzt kniet er vor ihr, er umschlingt sie und preßt seinen Kopf an ihre Brust – und sie – die Grausame – sie lacht – und jetzt höre ich, wie sie laut ausruft:

»Ah! Sie brauchen wieder die Peitsche.«

»Weib! Göttin! hast du denn kein Herz – kannst du nicht lieben«, ruft der Deutsche, »weißt du nicht einmal, was das heißt, lieben, sich in Sehnsucht, in Leidenschaft verzehren, kannst du dir nicht einmal denken, was ich leide? Hast du denn kein Erbarmen für mich?«

»Nein!« erwidert sie stolz und spöttisch, »aber die Peitsche.« Sie zieht sie rasch aus der Tasche ihres Pelzes und schlägt ihn mit dem Stiel ins Gesicht. Er richtet sich auf und weicht um ein paar Schritte zurück.

»Können Sie jetzt wieder malen?« fragt sie gleichgültig. Er antwortet ihr nicht, sondern tritt wieder vor die Staffelei und ergreift Pinsel und Palette.

Sie ist wunderbar gelungen, es ist ein Porträt, das an Ähnlichkeit seinesgleichen sucht, und scheint zugleich ein Ideal, so glühend, so übernatürlich, so teuflisch, möchte ich sagen, sind die Farben. Der Maler hat eben alle seine Qualen, seine Anbetung und seinen Fluch in das Bild hineingemalt.

Jetzt malt er mich, wir sind täglich einige Stunden allein. Heute wendet er sich plötzlich zu mir mit seiner vibrierenden Stimme und sagt:

»Sie lieben dieses Weib?«

»Ja.«

»Ich liebe sie auch.« Seine Augen schwammen in Tränen. Er schwieg einige Zeit und malte weiter.

»Bei uns in Deutschland ist ein Berg, in dem sie wohnt«, murmelte er dann vor sich hin, »sie ist eine Teufelin.«

Das Bild ist fertig. Sie wollte ihm dafür zahlen, großmütig, wie Königinnen zahlen.

»Oh! Sie haben mich bereits bezahlt«, sprach er ablehnend mit einem schmerzlichen Lächeln.

Ehe er ging, öffnete er geheimnisvoll seine Mappe und ließ mich hineinblicken – ich erschrak. Ihr Kopf sah mich gleichsam lebendig wie aus einem Spiegel an.

»Den nehme ich mit«, sprach er, »der ist mein, den kann sie mir nicht entreißen, ich habe ihn mir sauer genug verdient.«

»Mir ist eigentlich doch leid um den armen Maler«, sagte sie heute zu mir, »es ist albern, so tugendhaft zu sein, wie ich es bin. Meinst du nicht auch?«

Ich wagte nicht, ihr eine Antwort zu geben.

»Oh, ich vergaß, daß ich mit einem Sklaven spreche, ich muß hinaus, ich will mich zerstreuen, will vergessen.

Schnell, meinen Wagen!«

Eine neue phantastische Toilette, russische Halbstiefel von veilchenblauem Samt, mit Hermelin besetzt, eine Robe von gleichem Stoff, durch schmale Streifen und Kokarden desselben Pelzwerkes emporgehalten und geschürzt, ein entsprechender, anliegender kurzer Paletot, gleichfalls reich mit Hermelin ausgeschlagen und gefüttert; eine hohe Mütze von Hermelinpelz im Stile Katharinas II., mit kleinem Reiherbusch, der von einer Brillanten-Agraffe gehalten wird, das rote Haar aufgelöst über den Rücken. So steigt sie auf den Bock und kutschiert selbst, ich nehme den Platz hinter ihr ein. Wie sie in die Pferde peitscht. Das Gespann fliegt wie rasend dahin.

Sie will heute offenbar Aufsehen erobern, und das gelingt ihr vollständig. Heute ist sie die Löwin der Cascine. Man grüßt sie aus den Wagen; auf dem Pfade für die Fußgeher bilden sich Gruppen, welche von ihr sprechen. Doch niemand wird von ihr beachtet, hie und da der Gruß eines älteren Kavaliers mit einem leichten Kopfnicken erwidert.

Da sprengt ein junger Mann auf schlankem wilden Rappen heran; wie er Wanda sieht, pariert er sein Pferd und läßt es im Schritte gehen – schon ist er ganz nahe – er hält und läßt sie vorbei, und jetzt erblickt auch sie ihn – die Löwin den Löwen. Ihre Augen begegnen sich – und wie sie an ihm vorbeijagt, kann sie sich von der magischen Gewalt der seinen nicht losreißen und wendet den Kopf nach ihm.

Mir steht das Herz still bei diesem halb staunenden, halb verzückten Blick, mit dem sie ihn verschlingt, aber er verdient ihn.

Er ist bei Gott ein schöner Mann. Nein, mehr, er ist ein Mann, wie ich noch nie einen lebendig gesehen habe. Im Belvedere steht er in Marmor gehauen, mit derselben schlanken und doch eisernen Muskulatur, demselben Antlitz, denselben wehenden Locken, und was ihn so eigentümlich schön macht, ist, daß er keinen Bart trägt. Wenn er minder feine Hüften hätte, könnte man ihn für ein verkleidetes Weib halten, und der seltsame Zug um den Mund, die Löwenlippe, welche die Zähne etwas sehen läßt und dem schönen Gesichte momentan etwas Grausames verleiht –

Apollo, der den Marsyas schindet.

Er trägt hohe schwarze Stiefel, eng anliegende Beinkleider von weißem Leder, einen kurzen Pelzrock, in der Art, wie ihn die italienischen Reiteroffiziere tragen, von schwarzem Tuche mit Astrachanbesatz und reicher Verschnürung, auf den schwarzen Locken ein rotes Fez.

Jetzt verstehe ich den männlichen Eros und bewundere den Sokrates, der einem solchen Alcibiades gegenüber tugendhaft blieb.

So aufgeregt habe ich meine Löwin noch nie gesehen. Ihre Wangen loderten, als sie vor der Treppe ihrer Villa vom Wagen sprang, die Stufen hinaufeilte und mich mit einem gebieterischen Wink ihr folgen hieß.

Mit großen Schritten in ihrem Gemache auf und ab eilend, begann sie mit einer Hast, die mich erschreckte.

»Du wirst erfahren, wer der Mann in den Cascinen war, heute noch, sofort. –

O welch ein Mann! Hast du ihn gesehen? Was sagst du? Sprich.«

»Der Mann ist schön«, erwiderte ich dumpf.

»Er ist so schön –« sie hielt inne und stützte sich auf die Lehne eines Sessels – »daß es mir den Atem benommen hat.«

»Ich begreife den Eindruck, den er dir gemacht hat«, antworte ich; meine Phantasie riß mich wieder im wilden Wirbel fort – »ich selbst war außer mir, und ich kann mir denken –«

»Du kannst dir denken«, lachte sie auf, »daß dieser Mann mein Geliebter ist, und daß er dich peitscht, und es dir ein Genuß ist, von ihm gepeitscht zu werden.

Geh jetzt, geh.«

Ehe es Abend war, hatte ich ihn ausgekundschaftet.

Wanda war noch in voller Toilette, als ich zurückkehrte, sie lag auf der Ottomane, das Gesicht in den Händen vergraben, das Haar verwirrt, gleich einer roten Löwenmähne.

»Wie nennt er sich?« fragte sie mit unheimlicher Ruhe,

»Alexis Papadopolis.«

»Ein Grieche also.«

Ich nickte.

»Er ist sehr jung?«

»Kaum älter als du selbst. Man sagt, er sei in Paris gebildet und nennt ihn einen Atheisten. Er hat auf Candia gegen die Türken gekämpft und soll sich dort nicht weniger durch seinen Rassehaß und seine Grausamkeit, wie durch seine Tapferkeit ausgezeichnet haben.«

»Also alles in allem, ein Mann«, rief sie mit funkelnden Augen.

»Gegenwärtig lebt er in Florenz«, fuhr ich fort, »er soll enorm reich sein –«

»Um das habe ich nicht gefragt«, fiel sie mir rasch und schneidend ins Wort.

»Der Mann ist gefährlich. Fürchtest du dich nicht vor ihm? Ich fürchte mich vor ihm. Hat er eine Frau?«

»Nein.«

»Eine Geliebte?«

»Auch nicht.«

»Welches Theater besucht er?«

»Heute abend ist er im Theater Nicolini, wo die geniale Virginia Marini und Salvini, der erste lebende Künstler Italiens, vielleicht Europas, spielen.«

»Sieh, daß du eine Loge bekommst – rasch! rasch!« befahl sie.

»Aber Herrin –«

»Willst du die Peitsche kosten?«

»Du kannst im Parterre warten«, sprach sie, als ich ihr Opernglas und Affiche auf die Logenbrüstung gelegt hatte und eben den Schemel zurechtschob.

Da stehe ich nun und muß mich an die Wand lehnen, um nicht umzusinken vor Neid und Wut – nein, Wut ist nicht das Wort dafür, vor Todesangst.

Ich sehe sie im blauen Moirékleide, mit dem großen Hermelinmantel um die bloßen Schultern in ihrer Loge und ihn ihr gegenüber. Ich sehe, wie sie sich gegenseitig mit den Augen verschlingen, wie für sie beide heute die Bühne, Goldonis Pamela, Salvini, die Marini, das Publikum, ja die Welt untergegangen ist – und ich, was bin ich in diesem Augenblicke? –

Heute besucht sie den Ball bei dem griechischen Gesandten. Weiß sie, daß sie ihn dort trifft?

Sie hat sich wenigstens darnach angezogen. Ein schweres meergrünes Seidenkleid schließt sich plastisch an ihre göttlichen Formen und zeigt Büste und Arme unverhüllt; in dem Haare, das einen einzigen flammenden Knoten bildet, blüht eine weiße Seerose, von der grünes Schilf, mit einzelnen losen Flechten vermischt, auf den Nacken herabfällt. Keine Spur mehr von Erregung, von jener zitternden Fieberhaftigkeit in ihrem Wesen, sie ist ruhig, so ruhig, daß mir das Blut dabei erstarrt, und ich mein Herz unter ihrem Blicke kalt werden fühle. Langsam, mit müder träger Majestät, steigt sie die Marmorstufen hinauf, läßt ihre kostbare Umhüllung herabgleiten und tritt nachlässig in den Saal, den Rauch von hundert Kerzen mit silbernem Nebel gefüllt hat.

Einige Augenblicke sehe ich ihr wie verloren nach, dann hebe ich ihren Pelz auf, der, ohne daß ich es wußte, meinen Händen entsunken war. Er ist noch warm von ihren Schultern.

Ich küsse die Stelle, und Tränen füllen meine Augen.