Ich winkte nochmals und verschwand nach drinnen, bezahlte und verschwand auf das stille Örtchen, wo ich mir alles in allem fünf Minuten Zeit ließ. Mit klopfenden Herzen ging ich wieder nach draußen, und er saß noch da und schaute mich erwartungsvoll an. Ich lächelte. „Schön, dass du den Mut und das Vertrauen hast. Ich verspreche dir nichts zu machen, was du nicht wirklich willst.“ „Mensch, ich hätte nicht gedacht, dass ich jemanden treffen würde, der so fair und nett ist.“ „Hatte ich nicht was davon geschrieben, dass ich Einfühlsamkeit und Zärtlichkeit anbiete?“ „Doch schon, aber… Na ja, einfühlsam scheinst du ja echt zu sein. Und bei dem Anderen habe ich auch keine Bedenken mehr. Irgendwie macht mich diese verrückte Situation an.“ Ich grinste: „Mich auch! Also packen wir es? Hast du bezahlt?“ „Klar!“ „Wollen wir zu mir oder zu dir gehen?“ „Gehen wir lieber zu dir, denn bei mir ist das mit den Nachbarn so eine Sache. So ganz alleine lebe ich auch nicht, musst du wissen. Ich habe ein Zimmer bei meinem Großvater. Studentenbude eben. Na, du kannst es dir sicher vorstellen.“ „Ja, ich kann mir das sehr romantisch vorstellen, aber wenn wir da keine Ruhe haben, dann ist es besser, wenn wir zu mir gehen.“
So fuhr er also hinter mir her zu mir nach Hause. Wir stiegen die Treppen hoch zu meiner Wohnung und ich öffnete ihm die Türe. Nachdem er eingetreten war, sein Jacke an der Garderobe aufgehängt hatte, blieb er erwartungsvoll im Flur stehen. So stand ich dann vor ihm und wusste nun auch nicht so recht weiter. Da fiel mir etwas ein: „Zuerst mal muss ich dich über die Sitte informieren, die hier für alle Besucher gilt. Hier ist nämlich Knuddelzwang.“ Er schaute irritiert. „Und was bedeutet das?“ Ich lächelte wegen seiner Unsicherheit: „Das bedeutet, dass jeder Besucher von mir in den Arm genommen wird und gute Bekannte und Freunde einen Kuss bekommen. Das ist halt ein Zwang, und da kommt keiner drum herum.“ Nun grinste er auch und machte einen Schritt auf mich zu. „Dann bleibt mir ja nichts anderes übrig, als mich dem Zwang zu unterwerfen.“ Wir nahmen uns in den Arm und hielten uns eine Zeit lang fest. „Eine Frage habe ich dann jetzt noch.“ Ich ließ ihn nicht los: „Welche denn?“ „Gehöre ich schon zu den guten Bekannten?“ Ich grinste ihn an und tat so, als würde ich ein schwerwiegendes Problem abwägen. „Ich denke schon. Wir kennen uns vielleicht noch nicht so lange, aber wir wollen uns ja näher kennen lernen. Ich denke, der gute Wille zählt.“ „Ich finde das gut, dass du solche Zwänge wie den Knuddelzwang nicht so zwanghaft siehst.“ Ich kicherte. „Hmmm, ja…“ Und dann drückte ich ihm einen zaghaften Kuss auf den Mund.
Werner grinste mich an, löste sich aus meinen Armen und flachste dann: „Weißt du, du bist zwar ziemlich schnell und dreist im Überwinden der persönlichen Grenzen deines Gegenübers, aber nicht ungeschickt. “Ich setzte wichtig hinzu: „Ich finde nicht, dass ich deine persönlichen Grenzen unnötig verletzt hätte. Du lässt es ja auch zu, dass in deinen persönlichen Freiraum eindringe. Also gehe ich auf deine unbewussten Wünsche ein, die latent, aber für sensible Menschen ziemlich deutlich an deiner Körpersprache abzulesen sind.” Mit den letzten Worten prustete ich raus und er fiel in mein Lachen ein. Wir krümmten uns wie die Schuljungen über einen unanständigen Witz. Er wischte sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel: „Herrlich! Ich hätte nie gedacht, dass das so lustig werden würde.“ „Du kennst mich noch nicht. Ich habe einen hartnäckigen Schalk im Nacken sitzen.“ „Du wirst mir immer sympathischer!“ Ich wurde ernst und sagte mit vollster Überzeugung: „Du mir auch.“
Da passierte irgendwas zwischen uns. Selten kann man diese Momente, wo es Klick macht, nachvollziehen, aber hier hatte es an dieser Stelle überlaut Klick gemacht. Wir beide hatten es gespürt. „So, nun komm ins Wohnzimmer, hier im Flur ist es mir auf die Dauer zu ungemütlich. Was muss ich dir zu trinken aufdrängen? Kaffee? Tee? Cola? Limo? Wasser? O-Saft? A-Saft?“ So machten wir es uns auf den Sofas bequem und erzählten eigentlich belangloses Zeug aus unserem Leben. Wir versuchten, uns näher kennen zu lernen. Irgendwie kamen wir dann in den schlüpfrigen Bereich und ich fragte dann unvermittelt. „Du bist also noch Jungfrau?“ Er war etwas verlegen, und ich fügte schnell hinzu: „Das macht aber doch gar nichts. Jeder von uns hat mal angefangen. Hast du denn schon mal einen Mann geküsst?“ „Ja, eben noch.“ Er grinste und wurde wieder lockerer. „Hmmm, das war doch wohl nicht das erste Mal?“ „Doch… ich habe bis jetzt nur mit Frauen…“ „Ach, dann hast du bestimmt jetzt mal Lust, das auszuprobieren.“ „Ja, wenn du willst?“ Ich überlegte gekünstelt: „Klar, ich denke, das lässt sich machen.“