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Die Zunge

Ich packte meine Taschen und Koffer aus und machte mich auf einen Spaziergang. Lange blieb ich vor einem Gebäude stehen. Hier würde ich also zum ersten Mal als verantwortliche Juristin arbeiten. Ich war schon sehr gespannt auf meine Tätigkeit, hatte aber doch etwas Herzklopfen. Würde ich meiner Aufgabe gewachsen sein. Hier war es anders, als in den Kanzleien. Hier war ich alleine, hier konnte ich mich nicht mit erfahrenen Kollegen beraten, wenn es Probleme gab. Ich fieberte meinem Arbeitsbeginn entgegen, hatte aber doch auch Angst davor.

Die ersten Tage und Wochen verliefen, wie erwartet. Ich musste mich erst in der Firma zurecht finden, musste mich mit der Materie vertraut machen. Die Firma war eine Leasingagentur. Sie kaufte bzw. vermittelte den Kauf von Investitionsgütern wie Kräne, Baumaschinen, Spezialfahrzeuge, aber auch schon mal eine Straßenbahn oder ein Flugzeug. Diese Investitionsgüter wurden dann von Firmen geleast. Meine Aufgabe bestand darin, die durchweg individuellen Verträge juristisch wasserdicht zu machen. Ich arbeitete diese Verträge aus und führte Verhandlungen. Dadurch kam ich ziemlich herum in der Weltgeschichte. Bei meinen Reisen wurde ich häufig von Herrn Albrecht, dem Leiter des Kundengeschäftes begleitet.

Sven Albrecht war ein Mann von Mitte vierzig. Groß, schlank, sportlich. Er war freundlich, zuvorkommend und höflich. Und er lehrte mich alles, was ich wissen musste. Schon bei unserer ersten gemeinsamen Tätigkeit, bot er mir das „Du“ an. „Es ist einfacher, wenn wir uns mit Vornamen ansprechen. Ich heiße Sven.“ „Jenny“, antwortete ich leise. Doch mit der Zeit wurde ich sicherer. Unsere Geschäftsreisen sorgten dafür, dass wir oft zusammen saßen. Sven war sehr aufgeschlossen und erzählte mir viel von sich. Er hatte als Firmenkundenberater bei einer Bank gearbeitet. Am meisten hatte ihn das Leasinggeschäft interessiert und als dann die Agentur mit ihrer Tätigkeit begann, hatte er nicht gezögert, dort anzuheuern. Er lebte allein und beschäftigte sich intensiv mit Sport. Wenn ich ihn richtig verstand, spielte er Tennis in der Regionalliga. Bald schon wurden wir vertraut miteinander. Wie ein sich lang kennendes Paar saßen wir, nicht nur bei unseren gemeinsamen Geschäftsreisen, oft abends beieinander und redeten. Doch, ich mochte ihn.

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