Jasmin traute sich nicht, längeren Augenkontakt zu ihrer Mutter herzustellen. „Es ist einfach passiert.”
In ruhigem Ton erwiderte Nadja „Nichts passiert einfach so … Es gibt für alles einen Grund.” „Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll”, gestand Jasmin. „Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe.”
Nadja betrachtete ihre Tochter eingehend. Sie schien sich sichtlich elendig zu fühlen. Sie hatte sogar Mitleid mit ihr, obwohl sie eindeutig die Geschädigte war. „Ging es von ihm aus?”
Jasmin musste bemerkt haben, dass ihre Mutter Bernd nicht namentlich erwähnt hatte. „Nein, es kam nicht nur von ihm. Wir wollten es beide.”
Nadja schüttelte den Kopf und fragte ruhig „Hast du dich niemals gefragt, was du mir damit antust?”
Jasmin begann zu weinen und schien sich der Schwere ihrer Schuld bewusst zu werden. „Du solltest es doch gar nicht erfahren.”
Nadja dachte an den letzten intimen Moment mit Bernd zurück. Es war zwei Tage zuvor gewesen und es hatte ihr großen Spaß bereitet, als er sie in diesem Bett beglückt hatte. Im Nachhinein zeigte sich, dass Bernd schon längere Zeit eine Affäre mit der Tochter seiner Partnerin führte und nichts hatte darauf hingedeutet. Bernd lebte nicht bei ihnen. Er hatte eine eigene Wohnung und übernachtete sporadisch bei Nadja. Mehrmals die Woche kam er vorbei oder Nadja traf ihn in seiner Wohnung.
Beide fanden die Situation mit den zwei Wohnungen optimal, zumal jeder seinen Freiraum hatte und weil Jasmin die gemeinsame Zeit mit ihrer Mutter nicht mit einem anderen teilen musste. Das war alles Makulatur und die Beziehungen, wie sie nach Nadjas Vorstellungen existierten, waren zerstört worden. Sie sah Jasmin an und erklärte „Offenbar genügte es Bernd nicht, nur mich zu besitzen. Aus irgendeinem Grund musste er auch dich haben und alleine das lässt mich ihn hassen. Aber warum war es ihm möglich gewesen dich ebenfalls zu bekommen?”
Jasmin sah ihre Mutter mit von Tränen geröteten Augen an. Sie sagte „Es ist nicht Bernds Schuld … Ich liebe ihn und …”
Jasmin sprang aus dem Bett und rannte aus dem Schlafzimmer. Nadja blieb zurück und ihr schallte der Begriff ‘Liebe’ in den Ohren. Gut zehn Minuten später klopfte Nadja an Jasmins Tür. Dieses Mal wartete sie ab, bis Jasmin sie hereinbat. Ihre Tochter saß auf ihrem Bett und sah verheult aus.