„Was hat Rene Pfaffer dir angetan?“, fragte er gepresst.
Was? Nein!
Ein Schluchzen rutschte ihr aus der Kehle, als ihr Kopf unwillkürlich herumflog. Fassungslos starrte sie ihn an.
Er durfte davon nichts wissen. Nicht einmal Nadia wusste davon. Niemand wusste…
Kenni!
Die Schuld hatte auf diesen Moment der Schwäche gewartet und brach über sie herein. Schnell konnte sie ihren Cousin nur noch schemenhaft erkennen. Aber sie hatte gesehen, dass er… gereift war. Sicherer als zuvor.
Nicht dank ihr. Soviel stand fest.
So sehr sie es auch versuchte, Tanja konnte dem Schmerz nicht die Stirn bieten. Sie versank in einem Meer aus Scham, Schuld und Selbsthass. Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass sie hemmungslos anfing zu schluchzen.
Dann war da seine Hand an ihrer Wange. Ohne Rücksicht auf die Tränen. Und seine Stimme…
„Warum hast du mir nichts gesagt, Tanja?“
Weinte er?
Hilflos presste sie ihr Gesicht gegen die Berührung und konnte das Schluchzen nicht mehr unterdrücken.
Plötzlich wollte sie ihm so viel sagen. Wollte ihn um Verzeihung bitten. Sich erklären. Ihm alles beichten. Aber es ging nicht.
Ihre Kehle war zugeschnürt und nichts als krampfartiges Schluchzen drang daraus hervor. Die Worte wollten einfach nicht an dem Knoten in ihrem Hals vorbei. Egal wie hart sie es auch versuchte.
Verzweifelt bäumte sie sich gegen die Fesseln an ihren Armen auf, aber die gaben nicht nach.
Hektik brach im Raum aus, als Leute hinzukamen. Sie zerrten Peter von ihr fort und Tanja wollte schreien. Doch sie konnte nicht.
‚Nein! Bleib bei mir!‘, wollte sie ihm zurufen. ‚Verzeih mir!‘
Aber er wurde fortgerissen und Fremde bemühten sich, sie auf das Bett zurückzudrücken.
Tanja kämpfte. Gegen ihren eigenen, verräterischen Körper, der sie daran hinderte, zu sprechen. Und gegen die Menschen, die sie von Peter fernhalten wollen.
Sie kämpfte, bis das dumpfe Gefühl der Betäubung über ihr zusammenschlug und die Kraft sie verließ.
Bis alles um sie herum schwarz wurde.
Bis sie allein war in der Dunkelheit. Allein mit ihrer Schuld…