Schnell trat er den Rückzug an und baute fest darauf, dass seine Mutter in wenigen Minuten schon vergessen haben würde, was sie gerade besprochen hatten. Sie war schließlich nicht nur eine Säuferin, sondern auch noch irgendwie plemplem. Dämänz oder sowas.
Die Frage, wo seine nichtsnutzige Schwester steckte, wurde dadurch aber nicht beantwortet. Und das würde wohl auch erst geschehen, wenn die nach Hause kam und er die Scheiße aus ihrem dummen Arsch geprügelt hatte.
Wichtiger war, dass er sich so viele Bierflaschen wie möglich auflud, als er notgedrungen selbst in den Keller marschierte. Damit er nicht dauernd wieder los musste.
Und diesmal vergaß er seine Wut auch beim Computerspielen nicht ganz.
„Die dumme Futt wird sowas von bluten, wenn ich sie in die Finger kriege“, murmelte er vor sich hin. „Diesmal ist ihr Arsch fällig. Aber so richtig…“
XXIV.
Tanja starrte an die Zimmerdecke.
Seitdem sie im Krankenhaus aufgewacht war, fühlte sie sich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun. Also tat sie auch nichts. Sie redete mit niemandem, antwortete nicht auf Fragen und aß nicht.
Die Ärzte sprachen von Katatonie oder etwas in der Art. Sie hatten veranlasst, dass ihr ein Tropf gelegt wurde. Sie hatten ihr jemanden geschickt, der in sanften Worten Schwachsinn redete und sie hatten ihre Arme fixiert, um ‚Zwischenfälle zu vermeiden‘.
Aber es war ihr egal.
Der Beschluss, ihr Leben zu beenden, hatte sie beinahe befreit.
Es hatte anfangs wehgetan. Und das war richtig gut gewesen. Eine gerechte Strafe. Aber es hatte nachgelassen. Und mit dem Schmerz ging… der Hass.
Als sie im warmen Wasser der Badewanne fühlte, wie sie immer schwächer und müder wurde, stellte sich Frieden in ihrem Inneren ein. All die Besessenheiten, die sie immer angetrieben hatten, verblassten. Alle Menschen verblassten. Alles verblasste.
Mit Ausnahme von Peter. Und Nadia.
Als sie im Sterben lag, hatte sie gewusst, dass die beiden ohne sie glücklich werden konnten. Und das hatte sich… gut angefühlt.
Seit so vielen Jahren brachte sie nur Unglück über ihren Cousin. Und auch gegenüber Nadia hatte sie sich oftmals ganz und gar nicht fair verhalten. Und nun hatten diese beiden wichtigsten – einzigen – Personen in ihrem Leben eine Chance darauf, glücklich zu werden. Nur sie stand ihnen noch im Weg.
Ja. Es war richtig gewesen. Aber… es hatte nicht funktioniert.