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Erstes Mal Gruppen

Junge Liebe – Teil 11a

Andre zu fragen war völlig überflüssig, denn der lag noch im Koma von der Flasche Korn, die er sich am Abend zuvor genehmigt hatte. Also blieb nur die Alte. Und die war sicher in der Küche. Schließlich war sie immer in der Küche.
Missmutig stapfte er Treppe ins Erdgeschoß hinunter. Das Knarzen der Stufen ließ ihn dann aber doch vorsichtiger auftreten. Die Treppe war in keinem guten Zustand. Das ganze Haus war ziemlich baufällig. Und er wollte sich keinesfalls die Knochen brechen, weil wegen seiner Trampelei das Holz nachgab.
Irgendwer sollte sich dringend mal um die notwendigen Arbeiten kümmern. Nur wer?

Unten angekommen verschwand das Thema Bausubstanz so schnell wie jedes andere Thema, das auch nur im entferntesten mit Arbeit zu tun haben mochte, aus seinem Kopf.
„Wo ist Patze?“, schnauzte er barsch, noch bevor er die Küchentür ganz geöffnet hatte.
„Du sollst deine Schwester nicht so nennen“, gab seine Mutter müde und leise zurück.
„Ich nenn die, wie ich will. Wo is‘ die Schlampe?“
„Rene!“, ermahnte seine Mutter nun erheblich lauter und sehr schneidend.

Sie wachte nicht oft aus ihrem Rausch auf, aber wenn sie es tat und diesen Ton anschlug, war Rene besser ein wenig netter. Ob seine Mutter ihm wirklich noch gewachsen war, wusste er nicht genau, aber er erinnerte sich an reichlich Prügel von ihrer Hand in früheren Zeiten. Und das wirkte noch nach.
„Ich mach mir nur Sorgen“, behauptete er in betont normalem Tonfall.
„Ich habe sie heute noch nicht gesehen“, sagte seine Mutter wieder ruhiger. „Wenn sie nicht oben ist, muss sie schon seit heute früh unterwegs sein.“
„Und wo?“, fragte Rene irritiert.
„Warum gehst du nicht los und versuchst, es herauszufinden?“, kam noch einmal leicht schneidend die Antwort. „Schließlich bist du ihr großer Bruder und solltest auf sie aufpassen.“

Rene verkniff sich eine passende Antwort. In ihrem Suff bekam seine Alte nicht mit, was der große Bruder so alles mit der kleinen Schwester trieb. Und das war auch ganz gut so, denn es würde ihr nicht gefallen.
„Äh… Ja klar. Gute Idee“, meinte er stattdessen.
Und dann malte er sich aus, wie er später auf Patze ‚aufpassen‘ würde, während seine Mutter langsam wieder den Kopf hängen ließ und eine ungeöffnete Flasche Apfelkorn auf dem Tisch anstarrte.

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