Natürlich hatte ihr Ernst niemals erfahren, dass ihr Herz für einen anderen geschlagen hatte. Er hatte den Unterschied nicht gekannt. Niemals erfahren, wie es aussah, wenn sich wahre Liebe in Augen widerspiegelte. Das erlebten nur die wenigsten.
Aber wenn man es einmal erlebt hatte, sah man es auch in den Augen von anderen. So wie Renate es in Nadias und Peters Augen erkennen konnte. Andere Zeiten und Sitten mochten es mittlerweile sein, aber Liebe war und blieb Liebe.
Zufrieden beobachtete die Rentnerin die Kinder beim Essen und freute sich innerlich darüber, dass ihr Junge dieses Glück hatte. Insgeheim beneidete sie die kesse Blondine, die sein Herz erobert hatte, sogar ein wenig. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie es an der Seite von jemandem verbracht hätte, der ihr Herz so berührte? Der… ihre Leidenschaft so zum Kochen brachte?
Na… So oder so hätte sie nicht ihre Tochter bekommen und Peter hätte es nicht gegeben. Also waren die Dinge schon gut so, wie sie waren. Auch wenn es manchmal noch aus der Ferne schmerzte.
Beinahe hätte sie den Arm ausgestreckt und die Hand auf den Unterarm ihres Enkels gelegt. Als kleine Wiedergutmachung dafür, in Gedanken von einem anderen Mann als dem Vater seiner Mutter geschwelgt zu haben.
Aber in dem Moment fing sie einen Blick von der kleinen Patrizia zu Nadia auf. Und verschluckte sich beinahe an dem, was sie im Mund hatte.
Wie in Zeitlupe entfaltete sich vor ihr, was sie einfach nicht fassen konnte.
Die schüchterne und früher leider auch oft ein wenig ungepflegte Enkelin ihrer Jugendfreundin blickte den blonden Wirbelwind mit solcher Sehnsucht und Hingabe an, dass es ihr den Atem raubte. Und Nadia erwiderte diesen Blick… wissend!
Aber das war noch nicht alles. Danach berührte sie Peter und er sah erst sie und dann das andere Mädel an und schien ebenfalls zu wissen, was vor sich ging.
Es war nicht die gleiche Liebe in diesem Blickwechsel. Aber da war so einiges, was unter Freunden mehr als ungehörig sein sollte. Da war eine große Leidenschaft…