“Vertraust du mir so weit, dass du dich hier auf den Boden kniest und deine Augen solange geschlossen hältst, bis ich dich dazu auffordere, sie wieder zu öffnen?” Ich suchte verzweifelt nach einem Einwand, und meine Lippen bewegten sich auch, doch heraus kam kein Ton. “Ich werde dich nicht fesseln und auch nicht schlagen. Nicht einmal berühren. Du hast mein Wort.” Es klang so unglaublich bedeutsam, dass ich ungewollt von einem ehrfürchtigen Schauer gepackt wurde. Die Haltung seiner dünnen Gestalt in der fahlen Beleuchtung wirkte auf einmal von beeindruckender Erhabenheit gezeichnet. Ich konnte ihn solange betrachten, wie ich wollte, André blieb der wunderschönste Mann, welchem ich jemals begegnet war. Und somit erschien es mir lediglich das natürlichste der Welt, seinem Wunsch nachzukommen.
Gänzlich ausgeliefert fand ich mich auf den kühlen Fliesen des Bodens wieder, mein Kopf geneigt, das Gesicht der Erde zugewandt. “Hast du deine Augen geschlossen?”, versicherte er sich ein letztes Mal, während ich mir die Schritte seiner schweren Herrenstiefel in der vollkommenen Finsternis hinter meinen Lidern vorzustellen versuchte, wie sie in ihrer Geschmeidigkeit einen Fuß vor den anderen setzten, gerade so, als gäbe er sich Mühe, besonders leise zu sein.
Mir kamen die Sekunden endlos vor. Oder waren es Minuten? Jedenfalls hätte eine Ewigkeit vergangen sein können, bis ich das Klappern einer Gürtelschnalle und danach das charakteristische Rascheln von Leder hörte, wenn es die Beine hinabgestreift wird. Kurz vernahm ich auch das Geräusch nackter Füße auf den Kacheln, die ein, zwei Schritte taten und dann wieder in die Stiefel schlüpften. Mit zunehmender Herzfrequenz registrierte ich, wie diese sich mir anschließend näherten. Gemächlich, ich fand kein Anzeichen von Hektik oder Unsicherheit in ihnen. Ausgerechnet, als ich schon befürchtete, mein Herz könne mir aus der Brust springen, verstummte der lauter werdende Ton seiner Schuhe, und seine Stimme zerschnitt die Luft, als hätte er seit Jahren nicht mehr gesprochen. “Richte dein Gesicht nach oben”, wies er mich in einem Tonfall an, der mir überraschend liebevoll vorkam. Wärme durchflutete mich, und ohne nachzudenken tat ich wie geheißen. “Sieh mich an”, wurde er fast so leise, dass ich ihn kaum verstanden hätte. Langsam öffnete ich die Augen und erblickte sein Gesicht, aus welchem mich die großen Augen über aufgeregt bebenden Nasenflügeln, unschlüssig inspizierten. Ich blinzelte ein paar Mal, um meine verschwommene Sicht zu klären und ließ, nachdem von André keine weitere Regung erfolgte, meinen Blick langsam an seinem Körper hinab wandern. Auch jetzt, da er entblößt vor mir stand und man sofort erkannte, dass er alles andere als ein Muskelprotz war, fand ich ihn noch wunderschön.