“Wow, was für ein vornehmer Typ! Mensch, und wie seltsam der dich angeguckt hat! Wo hast du den nur aufgegabelt?”, flatterte sie wie ein wild gewordenes Huhn um mich und zupfte an meinem Ärmel herum, sobald wir im Eingangsbereich standen. “Du, Nina, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir noch zwei Minuten alleine mit ihm gönnen könntest. Ich beeile mich auch, ehrlich!”
Mein Betteln zeigte die falsche Wirkung, indem sie mich nun wissend angrinste und in einer Lautstärke flüsterte, die auch für alle Umstehenden problemlos zu hören gewesen wäre, hätten sich denn welche zu diesem Zeitpunkt dort befunden: “Nein?! Du warst mit ihm spielen?! Ich glaub’s nicht!” Unruhig sah ich zur Decke und wippte mit dem Absatz auf dem roten Teppichboden — eine unmissverständliche Botschaft. “Zwei Minuten!”, wiederholte sie, “Und dann erzählst du mir alles!” Aufgeregt wandte sie sich ab und trippelte kichernd zur Tür, durch die wir auch hereingekommen waren. Erleichtert senkte ich meine Schultern und fühlte im gleichen Moment, wie sich von hinten eine Hand sacht darauf ablegte. Ohne meinen Kopf zu drehen, erkannte ich bereits an der Art der Berührung, um wen es sich handelte.
“Komm!”, befahl er und packte mich am Arm, sodass er mich mit seinem geschmeidigen Körper rücklings an die Wand drücken konnte. Anschließend fasste er überstürzt an meine Wangen und verpasste mir einen heißblütigen Zungenkuss, während der Transvestit hinterm Empfang in ein paar Metern Entfernung das Geschehen anscheinend beobachtet hatte und sich nun demonstrativ räusperte. Ein letztes Mal, dachte ich. Ein letztes Mal, dass ich glaubte, der Hunger dieses Mannes würde mich im Ganzen verschlingen, mein Herz und meine Hingabe verzehren!
War es bloß Sex gewesen zwischen uns? Die Traurigkeit in den großen Katzenaugen, mit denen er mich trotz aller Gier betrachtete, machten es mir schwer dies anzunehmen.
“Du hast mich gar nicht gefragt, wie ich heiße!”, beschwerte ich mich und schluckte ob der Befürchtung, dass es ihm egal sein könnte, einen dicken Kloß herunter. Lediglich kurz schlossen sich seine Lider, währenddessen ich das Erbeben seiner flachen Brust unter einem beschwerlichen Atemzug körperlich zu spüren bekam. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf und blickte mich eindringlich an. “Es ist nicht wichtig”, setzte er an, und mein Herz startete einen Galopp. Allerdings musste meine Enttäuschung äußerst offensichtlich auf ihn gewirkt haben, denn er schob gleich erklärend hinterher: “Nicht weil es mich nicht interessieren würde … sondern weil ich hier lebe und du dort, verstehst du?” Ein Krampf schüttelte mich innerlich. Musste er mich ausgerechnet jetzt daran erinnern? Die ganze Zeit über hatte ich diesen Gedanken verdrängt und hätte auch noch solange gegen ihn angekämpft, bis ich auf dem Hotelzimmer angekommen sein würde. “André, nein!”, schluchzte ich und bekam nur am Rande mit, dass er mir etwas in die Hosentasche steckte.