Laura ist sehr Feminin. Das genaue Gegenteil zu Mir. Sie trug ein förmliches graues Kostüm zu schwarzen Feinstrumpfhosen und halbhohen schwarzen Pumps. Ihre bestimmt sehr langen
rabenschwarzen Haare waren zu einem dicken Knoten streng hochgesteckt. Klein. Nicht Mollig, aber deutlich ausgeprägt gerundet. Schwarze feurige stolze Augen, hohe Wangen, kleine
leicht breitere Nase, volle Lippen, wettergegerbte Haut. Deutliche Körpersprache. Laura ist nicht auffallend schön, aber in ihrer herben Ausstrahlung durchaus Attraktiv. Der alte
Mann und ich waren uns einig: Keine Spanierin, ganz sicher Südamerika. Vielleicht Peru oder Bolivien? Columbien? Ich musste mich nicht aufdrängen, wir hatten noch 15 Abende um
meine begrenzte Neugierde zu Stillen.
Der weitere Abend verging mit leiser Musik, Dias und stockender Konversation, wobei ich mich von der kleinen Gruppe mit am leichtesten tat. Als das erste Eis gebrochen war tauchte
noch erstaunlich viel der Sprache aus den grauen Windungen auf. Nicht daß ich mehr als 20% Verstand. Aber ich konnte einfachste Sätze formulieren und noch wichtiger – ich traute
mich zu Sprechen, auch wenn es Fehlerhaft war. Erstaunlich wenig hatte die Frau mit dem spanischen Freund beizutragen. Dieser Hintergrund interessierte mich zunehmend, der alte
Mann und ich vermuteten eine Lachnummer dahinter. Um 21 Uhr verliessen alle den Raum, anscheinend ausnahmslos Zufrieden. Ich besonders, denn ich bekam ein Lob von Laura.
Schon waren die Abende gefüllt, die Gedanken gelenkt. Der Fernseher schwieg. Die alten Bücher vom Gymnasium ausgegraben. Ich hatte eine Aufgabe gefunden. Und freute mich auf
Donnerstag. Auf den netten lustigen alten Mann und die fähige Dozentin. War sonst noch etwas? Nein, für den Moment nichts wesentliches mehr. Wie wichtig geordnete Gedanken doch
sein können.
Die Sprachabende wiederholten sich in stets ähnlicher Form, jedoch nie Langweilig. Viel Sprechen, wenig Schreiben, Gramatik und Vokabeln Zuhause aus dem Hefter. Nur das Bild über
Laura komplettierte sich langsam. Durch die Themen die sie wählte. Durch die Bilder die sie Zeigte, auf einigen war sie selber abgebildet. Damit entstand global über die Abende
gesehen ein Bild von ihrem Land, von Südamerika ganz allgemein und natürlich durch die Themen- und Bilderwahl auch ein Eindruck von ihrem Leben und ihren Interessen ganz speziell.
Durch kurze Gespräche in den Pausen, nach dem Kurs wurde sie immer von einem älteren Mann mit dem Auto abgeholt. Manchmal hatte ich den Eindruck sie wollte Sprechen, Erzählen. Von
sich. Jedoch überwog die professionelle Dozentin. Die beiden Männer im Kurs hätten sicher gerne mal mit ihr ausführlich Privat gesprochen. Ich mittlerweile auch. Und sie war
jedesmal wieder sehr Feminin und Förmlich gekleidet.