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Die Traumfrau

Wie sollte dieser Mensch für meine Zukunft also sein? Komischerweise hatte ich keinen konkreten Typ Mensch vor meinem geistigen Auge, konnte kein Gesicht formen, keine Figur
imaginieren, keinen Status formulieren. Vielmehr waren es Eigenschaften, Interessen, Charakterzüge. Mein Partner soll Intelligent sein, eine angenehme Stimme und schöne Augen
haben. Wenn wir Altern verlieren wir alle eine art Schönheit. Die Stimme und Augen jedoch verändern sich kaum. Humor und selbstkritische Denkweise, Naturverbunden. Bescheiden.
Liebevoll, Warmherzig, Einfühlsam. Loyal und Verlässlich. Das alles war mir wichtig. Vom Aussehen und Auftreten einfach so Ansprechend, daß man sich öffentlich sehen lassen kann
ohne innere Bedenken. Figur? Körperbau? Keine Ahnung. Einkommen, Image? Völlig Unwichtig.

Kann es einen solchen Menschen für mich Geben? Ja, bestätigte mir die alte Frau, es gibt ihn. Und genau dieser Mensch wartet ebenso auf mich. Genau auf mich. Bis mir dieser Mensch
begegnen würde sollte ich aber die Zeit nutzen um zu Verarbeiten und an mir zu Arbeiten, dazu wieder mehr unter Leute gehen, mich nicht Zuhause einschließen. Wie wäre es zum
Beispiel mit einem Sprach- oder Tanzkurs? Oder einer Handarbeitsgruppe? Einem Künstlerkurs? Sozialem Engagement?

Genauso Plötzlich wie die alte Frau Da war verschwand sie auch wieder. Lautlos. Wie ich mich zu Ihr drehte um zu Antworten war sie einfach Verschwunden. Obwohl ich eben noch ihre
Stimme hörte. War sie überhaupt da oder hatte ich schon Halluzinationen? Die Planken wo sie saß waren kalt. Mich Gruselte etwas. Sie ließ nur Zuversicht zurück. Mein Selbstmitleid
hatte sie mir in den vergangenen Stunden einfach Gestohlen. Es begann zu Dämmern, seltsam Beschwingt ging ich den Weg auf knirschendem Kies zur U-Bahn zurück, freute mich diesmal
richtig auf Zuhause, voller guter Vorsätze und lehrreicher Erkenntnisse.

Zuhause mistete ich als Erstes bis spät in die Nacht aus. Rigoros alles was aus der Vergangenheit an Männer oder unliebsame Situationen erinnerte und nicht unbedingt für den
Alltag notwendig war wurde ausgemustert und in großen blauen Plastiksäcken im Keller zwischengelagert. Der Großteil der Dinge war vom Ex, der viele Sachen nie Abholte. Wollte er
damit einen Fuß in der Türe stehenlassen? Völlig Verstaubt, Verdreckt und Müde ließ ich eine Wanne einlaufen. Während dessen zog ich mich seit Wochen wiedermal ganz bewusst vor
dem Spiegel im Schlafzimmer aus, sah mich mit meinen neuen kritischen Augen an.

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