Als wir tief Berührt aus der Kirche traten war es bereits Dunkel, wir fragten uns an den Bahnhof durch. Wann fährt bitte der nächste Zug nach München? Ein Busfahrer lümmelte
gelangweilt mit einer Zigarette am Bushäuschen. Morgen Früh um 5. Und wo fahren sie hin? bohrte ich Nach. Ich bringe Rekruten in die Kaserne. Wollen sie da auch hin? fragte er
schnippisch. Nein, wollten wir nicht. Klar, wir waren in der Provinz, da werden nun mal um 22 Uhr die Bürgersteige aufgeklappt. Und jetzt? Pension? Hotel? Sollte es hier bestimmt
geben.
Im Erdgeschoß des kleinen Hotels war ein Restaurant, wir bekamen noch etwas kalte Küche. Ich nutzte das Essen um Laura endlich mal nach ihren persönlichen Verhältnissen zu Fragen.
Erst zögerte sie merklich, dann brach alles aus ihr Heraus. Der Mann im Auto war tatsächlich ihr Gatte, viele Jahre älter wie sie. Er brachte sie damals als sehr junge Frau aus
Venezuela (Aha!), einem sehr armen Land nach Deutschland. Sie war ihm unendlich Dankbar dafür, jedoch mit zunehmendem Alter wurde er immer Einnehmender und Bestimmender über sie,
sperrte sie ein, sie durfte keine Freunde mehr haben. Wie sie sich dann jetzt den Tag freinehmen konnte, fragte ich? Ihr Gatte raucht viel zu Viel. Er liegt seit 2 Wochen im
Krankenhaus und wird wohl nicht wieder laufen können. Ich ahnte warum. Sie war sicher jetzt stark zerrissen zwischen Loyalität und ihrem eigenen Leben, hatte also auch so ihre
ganz eigenen, jedoch elementare und existenzielle Probleme mit einem Mann.
Nur in der Abendschule sei sie immer Aufgetaut, fuhr sie fort. Die Schüler dort achteten sie, hatten Respekt. Sie konnte von ihrer Kultur erzählen und die Menschen interessierten
sich tatsächlich dafür. Das Geld welches sie mit den Sprachkursen verdiente war ihr Geld, sie musste keine Rechenschaft darüber ablegen. Und sie kam unter intellektuelle Menschen,
die sie nicht nur nach Aussehen und Hausarbeit beurteilten. So wie du, Gabi! Sie lächelte mich an. Du hast Respekt vor mir als Mensch, für dich bin ich nicht nur die importierte
Frau aus dem Katalog. Uff! So krass habe ich das noch nie Gesehen, wie Laura das jetzt so schonungslos direkt formulierte.