Der Abend war bereits hereingebrochen, als eine ganze Horde junger Italiener bei uns am Stand auftauchte, unter ihnen auch Luigi. Sie schienen alle ordentlich was getrunken zu haben, denn sie machten mit schlechtem Benehmen und entsprechender Lautstärke doch ziemlich schnell unangenehm auf sich aufmerksam. Immer wieder pfiffen sie meiner Schwester hinterher und riefen irgendetwas auf Italienisch, was ich aber nicht verstand. Kai-jin gab sich Mühe sich nichts anmerken zu lassen und ignorierte den Haufen so gut es ging. Doch genau das schien die Jungs noch stärker anzuspornen. Immer wieder stellten sie Kai-jin nach und versuchten sie zu Bedrängen, ich schaute einige Male zu meinem Vater herüber, denn irgendwie erwartete ich von ihm ein Eingreifen. Doch nichts dergleichen geschah. Mein Vater hatte nur Augen für seine „Kollegin“ und bekam scheinbar überhaupt nicht mit, was um ihn herum geschah. In mir stieg immer mehr Frust und Wut auf, und wenn Frau Ratelli mich nicht immer wieder erinnert hätte, das Fleisch auf dem Grill nicht zu vergessen, dann hätten die Gäste an unserem Stand wohl nur noch Holzkohle zu essen bekommen.
Ich hoffte darauf, das sich die Situation von alleine wieder entschärfen würde, aber mit jedem Fünkchen Hoffnung, dass ich noch besaß, trat eigentlich genau das Gegenteil ein. Die Stimmung der jungen Italiener wurde immer aufgeheizter. Und umso mehr sie meine Schwester belästigten, umso weniger schien sich, zumindest meiner Meinung nach, mein Vater für die Angelegenheit zu interessieren. In mir wuchs meine Wut zu einem kaum mehr zu beherrschenden Dämon. Jeder Blick der Italiener, jede Bewegung in Kai-jins Richtung, und ihre hilfesuchenden Blicke steigerten meine Wut. Zu beschreiben was genau in mir vorging ist irgendwie unmöglich, aber irgendwann, wie es in solchen Situationen eigentlich immer so ist, eskaliert eine solche Situation. In Gedanken schon lange nur noch bei meiner Kai-jin, sah ich plötzlich einen der Italiener hinter Kai-jin hergehen. Sie schien ihn nicht sofort zu bemerken, sonst hätte sie wahrscheinlich längst selbst reagiert. Kurz bevor sie bei mir vorbeikam fasste der wohl angetrunkene Italiener meiner völlig überraschten Schwester von hinten an die Schulter, und als sie sich zu ihm umdrehte packte er ihr mit einem spöttischen Grinsen an ihren entstehenden Busen und machte dabei ein Geräusch als würde er eine alte Hupe betätigen.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^