Und mit einem mal wusste ich, warum Theresa so war, wie wir sie kennengelernt hatten, plötzlich wusste ich warum Theresa sich an dem Abend an dem wir hier auf dem Hügel gewesen waren so verhalten hatte. Theresa hatte nie jemanden, der sie geliebt hat, der stark genug gewesen wäre, sie zu lieben. Und das erklärte auch warum sie sich gegenüber mir und Kai-jin so verhielt, obwohl sie wusste was zwischen uns geschah. Sie sah, dass wir uns liebten, und sie, die nie selber erfahren durfte was Liebe wirklich ist, wusste doch genau, dass sie so wertvoll ist, dass es ihr nicht zustände diese Liebe zu zerstören.
Ich war ihr in diesem Moment unendlich dankbar.
Kai-jin, die inzwischen selber aufgehört hatte zu weinen, schmiegte sich wie zum Trost an Theresa, sie lag auf dem Rücken auf der Wiese, den Kopf in Theresas Schoß, die sie sanft und zärtlich streichelte. So wie eine Mutter ihr Kind dachte ich spontan. Doch ich selbst hatte mich ebenfalls an Theresa gelehnt. Diese kleine Person, nicht mal 1,50 groß, schlank, ja schon fast dürr, blind und eigentlich recht hilflos, war plötzlich unser ganzer Halt.
Eine gähnende Leere überfiel mich und ich fühlte mich endlos müde. Ich ließ mich auf die Wiese nach hinten fallen und schon nach wenigen Minuten war ich eingelöst.
Als ich wieder erwachte, brannte mir die Sonne furchtbar ins Gesicht und meine beiden Arme waren wie abgestorben. Auf dem einen Arm lag Theresa, den Kopf auf meiner Brust, auf dem Anderen Arm lag Kai-jin, den Kopf auf meinem Bauch. Beide Mädchen streichelten sich zärtlich gegenseitig ihr Gesicht.
Ein wunderbares Bild, voller Gefühl, Liebe und Zärtlichkeit.
Vorsichtig zog ich meine Arme unter den beiden Mädchen hervor und nahm sie beide zärtlich in den Arm.
„Was meint ihr, sollten wir uns nicht langsam auf den Rückweg machen und sehen ob wir nicht was essbares auftreiben können? Ich habe einen Bärenhunger!“ gab ich zu bedenken.
„Gute Idee“ bestätigten beide, und so schlenderten wir alle zusammen Arm in Arm zurück zum Hof, und mit einem Mal fühlte ich mich wieder richtig gut. Mir wurde bewusst, wie gut es mir eigentlich ging. Zum Teufel mit meinem Vater, sollte er doch gehen, wenn er das unbedingt wollte. Er war ja sowieso fast nie für uns dagewesen. Verglichen mit Theresa hatten wir doch bisher geradezu eine rosige Jugend und Kindheit verlebt. Ich hatte einen Menschen an meiner Seite, der mir alles bedeutete, und ich war mir sicher Kai-jin ging es genauso. Und mit Theresa hatten wir nun eine echte Freundin, nein mehr, eine Verbündete, eine im Geiste Verwandte.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^