“Der ist bestimmt noch mit Mutter beschäftigt” raunte ich grinsend Kai-jin zu, die in der Schule neben mir saß, denn wir gingen ja in dieselbe Klasse. Sie lachte und meinte nur: Die haben noch die ganze Nacht zum vögeln!”
Kai-jin hatte Recht behalten, denn gerade als sie dies sagte, sah ich Vater mit dem Wagen um die Ecke biegen; in diesem Moment schellte es auch schon zum Ende der Stunde. Wir sprangen auf und zwängten uns in einer großer Traube nach draußen. Vater erkannte uns auch in der großen Menge sofort und man sah ihm seine Freude, seine Kinder endlich mal wieder zu sehen, deutlich an. Ich freute mich auch, aber ich muss zugeben, meine Freude hielt sich ein bisschen in Grenzen. Das lag sicherlich auch daran, dass mein Vater nur immer ein paar wenige Wochen im Jahr zu Hause war. Sein Beruf ließ leider nichts anderes zu. Aber da baut man als Kind nicht so eine ausgeprägte Beziehung zu seinem Vater auf. Kai-jin freute sich noch ein bisschen mehr, meinte ich zumindest, und ich merkte, wie ich regelrecht ein bisschen eifersüchtig wurde, als sie sich Vater so um den Hals warf.
“Na, meine Großen”, begrüßte uns mein Vater, “wie geht’s euch denn?”
Nach ein bisschen Smalltalk lud uns mein Vater noch zu einem Eis ein, und so fuhren wir zusammen zur Eisdiele. Während wir zwei Riesenportionen Erdbeereis verputzten erzählte uns mein Vater ein bisschen über Japan und seine Erlebnisse dort, ich fand das meiste ziemlich belanglos. Etwas amüsiert bemerkte er, dass ich Katrin die meiste Zeit mit Kai-jin und sie mich Djio ansprach. Er wollte wissen, wie wir denn darauf gekommen waren, aber das behielten wir für uns.
Als wir endlich zu Hause ankamen, erwartete uns Mutter schon mit Kaffee und Kuchen, nur Rosa fehlte mal wieder. Sie war noch bei einer Freundin zum Geige üben gefahren. Naja, morgen Abend war ja auch ihr großer Auftritt. So saßen wir den ganzen Nachmittag auf der Terrasse und lauschten den Erzählungen meines Vaters. Am Abend kam dann Rosa noch dazu, und während meine Mutter sich um das Abendessen kümmerte, begann mein Vater mit seinen Erzählungen weitestgehend wieder von vorn, denn auch Rosa wollte natürlich wissen, wie es ihm denn so ergangen war. Langsam langweilte mich die Sache wirklich, und so verabschiedete ich mich auf mein Zimmer. Die Schule forderte schließlich auch noch ihren Tribut. Kai-jin begleitete mich, denn schließlich hatte sie das gleiche zu erledigen, wie ich, und gemeinsam lernt es sich halt besser.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^