Mein Lehrer war noch eher bei meiner Schwester als ich, schaute sie sich an und wollte ihr aufhelfen, doch Kai-jin schrie nur laut auf, als er ihren Arm fasste.
„Fassen sie sie nicht an!” zischte ich ihn wütend an und riss ihn von Kai-jin zurück. Fast hätte er auf dem Hosenboden gesessen, denn er hatte sicherlich nicht damit gerechnet und starrte mich nur entgeistert an.
„Junge…!” zischte er drohend zurück und schaute mir herausfordernd in die Augen.
„Lassen Sie meine Schwester in Ruhe“, fauchte ich ihn erneut wütend an und ging ohne eine Reaktion abzuwarten zu Kai-jin in die Hocke. Blut lief ihr noch immer aus der Nase und aus dem Mund, ihre Unterlippe war geschwollen und aufgeplatzt. Und Kai-jin hielt ihren linken Arm noch immer schmerzverzerrt an ihren Körper gedrückt. Vorsichtig, liebevoll, ganz zärtlich berührte ich ihre Schulter, legte sanft meine Hand auf ihre Schulter und versuchte sie mit einem sanften, gesäuselten „Schhht” zu beruhigen.
„Es tut so weh!” huschelte Kai-jin und Blut quoll ihr aus dem Mund als sie sprach.
„Nicht sprechen, es wird alles wieder gut. Ist ja gut, Kleine!” und zärtlich strich ich ihr ein paar blutverschmierte Haare aus dem Gesicht.
„Georg, lass mich bitte mal sehen, unterbrach mich mein Lehrer, der nun ebenfalls in die Hocke gegangen war. Ich funkelte ihn böse an, doch meine Schwester beruhigte mich nuschelnd, „lass ihn Geo, er will mir helfen!”
Meine Anspannung ließ etwas nach. Mein Lehrer hatte eine herbeieilende Kollegin angewiesen einen Krankenwagen zu bestellen und einen Verbandskasten zu organisieren. In der Zwischenzeit bot er Kai-jin ein sauberes Taschentuch an. Ich wich nicht von Kai-jins Seite, die ihren Kopf schluchzend an meine Brust gelegt hatte und mich dabei ganz mit ihrem Blut besudelte. Mir war das total egal.
„Meinst Du, Du kannst aufstehen?”, fragte unser Lehrer. Kai-jin nickte leicht und gemeinsamen halfen wir ihr auf die Beine. Raunend machten die Schüler Platz, von irgendwo wurde ein Tisch heran geschoben auf den wir Kai-jin setzten, und kurz darauf kam auch schon der Krankenwagen. Der Notarzt untersuchte Kai-jins Arm und meinte dann nur, dass er wohl nicht gebrochen sei aber das müsste im Krankenhaus noch genau untersucht werden. Nachdem er ihr Gesicht vorsichtig vom meisten Blut gesäubert hatte stellte er einen Riss am Kinn fest, auf das Kai-jin gefallen war. „Das müssen wir nähen!” stellte er fest. Also musste meine Schwester mit ins Krankenhaus. „Es muss einer mitfahren, stellte der Notarzt fest, und wandte sich dabei an meinen Mathematiklehrer. „Ich fahre mit!” fiel ich dem Arzt und meinem Lehrer ins Wort und Kai-jin krallte sich mit ihrem unverletzten Arm an meinem Arm fest und nuschelte, „Geo kommt mit!” Mein Lehrer zuckte mit den Schultern und meinte an den Notarzt gewandt, „lassen sie den Bruder im Krankenwagen mitfahren, ich komme nach. Ich glaube das ist wohl besser so.” Dem Arzt schien das egal und so fuhren wir die paar Meter den Berg hinauf zum Krankenhaus, das praktisch gleich nebenan lag. Kai-jin musste am Kinn genäht werden, zwar nur mit drei Stichen, hatte sich die Lippe ordentlich aufgebissen und eine kräftige Beule. Das Nasenbluten hatte bald aufgehört, und der Arm war zum Glück nicht gebrochen, doch sie hatte ihn sich bös gestaucht. Der Arzt meinte, es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die Schmerzen im Arm verschwunden seien, denn eine Prellung mit Bluterguss sei oft schmerzhafter als ein Bruch. Insgesamt hatte es zu Anfang schlimmer ausgesehen als es tatsächlich war und so entließ man uns aus dem Krankenhaus wieder in die Schule.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^