Christa, die noch immer am Küchentisch saß, sah etwas unsicher in die Runde. Es war ihr anzumerken, dass ihr die Situation unangenehm war. „Eure Mutter hat angerufen,“ begann sie die Unterhaltung.
„Du hast mit Mama telefoniert?“ fragte Kai-jin überrascht.
Christa nickte nur, und schien zu überlegen, was sie nun sagen sollte, doch Kai-jin übernahm in ihrer Ungeduld das Zepter, und bombardierte Christa mit Fragen. Was sie gesagt habe, ob sie mit Christa gestritten habe, usw.
„Nein, wir haben nicht gestritten“, beantwortete Christa unsere Fragen, „was hätte das auch für einen Sinn gehabt? Sie wollte wissen wie es euch geht, wie ihr damit zurechtkommt, und wie es hier mit euch weiterlaufen soll. Ihr sollt sie morgen noch einmal anrufen. Sie wollte wissen, wann ihr nach Hause kommen wollt. Am besten macht ihr das mit ihr aus. Ich denke ich werde mich verabschieden. Ich glaube ihr seid hier ganz gut aufgehoben und wollt mich bestimmt nicht dauernd um euch haben. Ihr könnt hier bei Ratellis natürlich auch bleiben, wie geplant, aber das besprecht ihr wohl morgen besser mit eurer Mutter.“
Und mit ein paar Worten auf italienisch, die ich mal wieder nicht verstand, an Theresa verabschiedete sich Christa und einen Moment später hörte man ihren Wagen vom Hof fahren.
Wir saßen schon eine ganze Weile schweigend in der Küche, als ich bemerkte, das bei Kai-jin leise Tränen über die Wangen kullerten. Sie die mir sonst immer so stark erschienen war, war von der Ereignissen, der letzten Tage tief getroffen, und nun in einem solch stillen Moment, schien das alles auf sie hereinzubrechen. Als ein leises Schniefen ihren Kummer verriet, tastete sich Theresa zu ihr hin und nahm sie wie eine Schwester liebevoll in den Arm. Besser wurde es bei Kai-jin dadurch nicht, eher das Gegenteil war der Fall, nun weinte sie hemmungslos in Theresas Armen. Doch sie versuchte auch gar nicht meine Schwester zu beruhigen sondern sagte nur „weinen kann helfen, manchmal muss man sich auch ausweinen dürfen!“ Und während auch mir die Tränen kamen, und ich ein Verlangen verspürte, mich ebenfalls an Theresas Seite auszuweinen, wurde mir bewusst, das ich nie zuvor so viele Menschen hatte weinen sehen, wie in den letzten Tagen. Was für ein seltsamer Urlaub.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^