Mein Vater betrat die Küche und pures Gift lag in der Luft. Die Blicke die Kai-jin ihm zuwarf hätten verachtungsvoller nicht sein können. Sein Mund öffnete sich stumm wie bei einem Fisch, doch anstatt etwas zu sagen holte er nur einmal tief Luft und stand wie eine Ölgötze mitten in der Küche.
Meine Mutter schien das nicht ertragen zu können. Sie riss sich von Kai-jin los und rannte wild schluchzend aus der Küche. Sekunden später hörte man die Tür zum Schlafzimmer zuknallen und nahm ihr Heulen nur noch sehr gedämmt war.
Mein Vater schien immer noch nach Worten zu suchen und als er sie endlich gefunden zu haben schien, schnitt meine Schwester sie ihm ab. Ich erschrak als ich ihre Stimme härte, wie ein tiefes Grollen im Unterton, mit einer Bedrohlichkeit die so gar nicht zu ihr passte und einer Eiseskälte, die es mich erschauern ließ, fauchte sie meinen Vater an: „Verschwinde, hau ab!“
Ich hatte mit Vorwerfen, mit Hysterie, mit Kreischen gerechnet, aber dies war nicht mehr die Stimme eines 13-jährigen Mädchens, dies war die Stimme einer erwachsenen Frau, und diese Stimme war herrisch, gebieterisch und duldete kein Wiederwort. Und noch einmal wiederholte sie mit fester Stimme: „Verschwinde!“
Mein Vater schaute etwas unsicher zu mir, so als erwarte er ausgerechnet von mir Beistand. „Es ist besser Du verschwindest!“ bestätigte ich meine Schwester. Mein Vater drehte sich um, ließ die Küchentür hinter sich offen stehen und ging mit den Packern in den Keller um die Kisten heraufzuholen.
Mit einem fast kraftlosen Stöhnen, als hätte sie gerade eine enorme Anstrengung hinter sich sank Kai-jin auf den Küchenstuhl auf dem zuvor noch meine Mutter gesessen hatte. Ihr Blick war glasig, leer. Sie starrte aus der offenen Küchentür auf den anwachsenden Stapel Kartons, der aus dem Keller zum Vorschein kam, und doch schien sie diese Kartons nicht einmal wahrzunehmen. Sie starrte einfach ins Leere, blickte durch die Kartons hindurch in ferne Weiten.
Es dauerte nicht einmal 20 Minuten, dann waren alle Kartons verstaut. Als die Packer gegangen waren und der alte LKW sich röchelnd in Bewegung setzte betrat mein Vater noch einmal die Küche, so als wolle er noch einen Anlauf wagen. Ich stand inzwischen direkt hinter Kai-jin und hatte ihr sanft meine Hände auf die Schultern gelegt und ihr ein bisschen die Schultern und den Nacken massiert. Ich wollte ihr einfach nahe sein, und als ich ihre Verspanntheit bemerkte, hatte ich einfach begonnen sie ein wenig zu massieren. Doch die Entspannung die sich so langsam eingestellt hatte, war schlagartig verschwunden. Ihre Arme die auf dem Küchentisch lagen verkrampften und es sah aus, als wolle sie ihre Finger in den Tisch graben.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^