Schon auf dem Heimweg versuchte Rosa mit dem Arm allerlei Bewegungen zu vollführen, die ihr aber nicht so recht gelangen, und so sahen ihre Verrenkungen doch reichlich bescheuert aus. Der Arzt hatte ihr ein paar Tipps gegeben, wie sie die Beweglichkeit des Arms trainieren sollte. Aber am nächsten Tag musste sie sowieso zur Krankengymnastin zum Training. Doch schon am Abend verkroch sich Rosa in ihrem Zimmer. Mal hörte man sie fluchen, mal hörte man sie weinen. Rosa war ungeduldig und wollte die Beweglichkeit ihres Arms herbeizwingen. Das ging aber nicht so einfach.
Schon nach wenigen Tagen hatte Rosa dank ihres eisernen Willens schon wieder so viel Beweglichkeit erlangt, dass sie erste Übungen auf der Geige absolvierte. Oh, was ein Graus. Es hörte sich an, als hätte sie noch nie in ihrem Leben eine Geige in den Händen gehalten. Es fehlte einfach die Koordination. Die Krankengymnastin hatte zu Rosa ebenfalls von mindestens einem halben Jahr Reha gesprochen, bevor sie ihre Karriere als Geigerin fortsetzen könne, aber Rosa wollte unbedingt zu den Herbstkonzerten wieder top fit sein und ihre Solos spielen können.
Welch ein Horror für uns. Rosa hatte nichts anderes mehr im Kopf als Geige, Geige und nochmals Geige. Wenn wir aus der Schule kamen und unser Mittagessen verputzt hatten, dann hatte Rosa ihre Hausaufgaben bereits erledigt und begann meist sofort mit ihren Übungen. Immer wieder dieselben Tonfolgen. Wenn es nicht gut klang, und es klang meistens nicht gut, dann wurde das so oft wiederholt bis Rosa zufrieden war. Da konnte es auch schon mal passieren, dass sie eine Tonfolge eine halbe Stunde lang immer wieder übte. Selbst von meiner Mutter ließ sie sich nicht davon überzeugen, mit dem Geige üben wenigstens so lange zu warten, bis wir mit unseren Schularbeiten fertig waren. Sie ging sogar in den Keller, um uns nicht zu stören, aber das gequiekte der Geige war trotzdem zu hören. Nur wenn sie mit Mutter zur Reha fuhr, dann hatten wir unsere Ruhe. Diese zwei Stunden entschädigten allerdings für vieles.
2 replies on “Georg Genders Schwester.”
Eine der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^
Einer der besten Geschichten die ich je gelesen habe. Ich würde mich freuen wenn es bald weiter geht.^•^